Inhaltsverzeichnis Trennungsjahr
1. Das Trennungsjahr im deutschen Familienrecht
1.1 Was ist das Trennungsjahr?
1.2 Welchen Sinn und Zweck verfolgt das Trennungsjahr?
2. Welche Regeln gelten während des Trennungsjahres?
2.1 Der Ablauf des Trennungsjahres
2.1.1 Der Beginn des Trennungsjahres
2.1.2 Was bedeutet „Trennung von Tisch und Bett“?
➔ Trennung in getrennten Wohnungen
➔ Trennung in gemeinsamer Wohnung
2.1.3 Mögliche Unterbrechung des Trennungsjahres
3. Muss ich das Trennungsjahr nachweisen?
3.1 Wie kann ich das Trennungsjahr beweisen?
3.2 Nachweis des Trennungsjahrs bei einvernehmlicher Scheidung
3.3 Was ist, wenn sich ein Ehegatte gegen die Scheidung „sträubt“?
4. Kann ich mich ohne Trennungsjahr scheiden lassen?
4.1 Was ist eine Härtefallscheidung?
4.2 Wann gibt es eine Härtefallscheidung?
➔ Eheliche Untreue
➔ Grobes Verhalten, Gewalt, Straftaten
➔ Alkoholmissbrauch
4.3 Spielt die Ehedauer eine Rolle?
5. Trennung ohne Scheidung: Lieber doch verheiratet bleiben?
5.1 Miteinander verheiratet bleiben: Möglich, aber gefährlich
➔ Steuerklasse und Ehegattenveranlagung
➔ Erbe
➔ Zugewinn und Eigentumserwerb
➔ Versorgungsausgleich
➔ Trennungsunterhalt
6. Trotz Trennungsjahr Scheidung nicht möglich?
6.1 Die Kinderschutzklausel
6.2 Die Ehegattenschutzklausel
➔ Ehegattenschutzklausel einschlägig
➔ Ehegattenschutzklausel nicht einschlägig
1. Das Trennungsjahr im deutschen Familienrecht
Wer sich in Deutschland scheiden lassen möchte, muss nachweisen, dass seine Ehe gescheitert ist. Das Familiengericht vermutet das Scheitern der Ehe erst dann, wenn die Ehegatten ein Jahr lang (12 Monate) in getrennter Gemeinschaft gelebt haben (Trennungsjahr).
1.1 Was ist das Trennungsjahr? 🠕🠕🠕
Das Trennungsjahr ist notwenige Voraussetzung für den Erfolg eines Scheidungsantrags. Gleichzeitig ist das Trennungsjahr ein Zeitraum, in dem die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und die Wiederherstellung nicht zu erwarten ist. Damit das Familiengericht vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, müssen neben dem Trennungsjahr beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmen.
1.2 Welchen Sinn und Zweck hat das Trennungsjahr? 🠕🠕🠕
Mit Errichtung des Trennungsjahres als Scheidungsvoraussetzung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Ehe als verfassungsmäßige Einrichtung zu schützen. Im Grundgesetz (GG) heißt es in Artikel 6 Absatz 1:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Das Trennungsjahr soll die Ehegatten vor leichtfertigen und voreiligen Scheidungen bewahren. Nach diesem Verständnis beweisen Ehegatten erst, indem sie ein Jahr getrennt voneinander leben, dass sie es mit der Scheidung ernst meinen. Das Trennungsjahr soll also dafür sorgen, dass Ehegatten ihren Scheidungsentschluss sehr gründlich durchdenken.
2 Welche Regeln gelten während des Trennungsjahres? 🠕🠕🠕
Während des Trennungsjahres gelten Bedingungen, die die Ehegatten einhalten müssen. Neben dem zeitlichen Ablauf gehen wir im Folgenden auf die räumlichen Trennungsvoraussetzungen zwischen den Ehegatten ein.
2.1 Der Ablauf des Trennungsjahres 🠕🠕🠕
2.1.1 Der Beginn des Trennungsjahres 🠕🠕🠕
Das Trennungsjahr beginnt, sobald die eheliche Gemeinschaft nicht mehr besteht. Die eheliche Lebensgemeinschaft besteht dann nicht mehr, wenn die Ehegatten “von Tisch und Bett getrennt” leben.
2.1.2 Was bedeutet „Trennung von Tisch und Bett“? 🠕🠕🠕
„Trennung von Tisch und Bett“ bedeutet, dass die Ehegatten in getrennten Betten schlafen und ihren Haushalt in jeglicher Hinsicht getrennt regeln. Konkret bedeutet das, dass jeder Ehegatte seine eigene Wäsche waschen und die eigenen Einkäufe selbst erledigen muss. Auch die Mahlzeiten muss jeder für sich allein vor- und zubereiten. Die Trennung kann in getrennten Wohnungen oder in der gemeinsamen Wohnung erfolgen.
➔ 1. Trennung in getrennten Wohnungen 🠕🠕🠕
Dass Ehegatten die räumliche Trennung herstellen, indem einer auszieht, stellt den Regelfall dar. Hat der ausziehende Ehegatte nicht vor, wieder in die eheliche Wohnung zurückzukehren, so ist die Trennung nach außen hin erkennbar und demnach vollzogen. Hat jeder Ehegatte eine eigene Wohnung, die er für sich selbst nutzt, ist die häusliche Gemeinschaft beendet.
➔ 2. Trennung in gemeinsamer Wohnung 🠕🠕🠕
Die Trennung von Tisch und Bett kann auch in einer gemeinsamen Wohnung erfolgen. Allerdings sind hieran weitere Anforderungen geknüpft. Die Räume müssen bis auf Küche und Bad aufgeteilt werden. Beide Ehegatten müssen eigene Räume haben, in denen sie leben, schlafen und den Haushalt führen. Das bedeutet, dass keine häusliche Gemeinschaft und gemeinsame Haushaltsführung mehr zulässig sind. Die Trennung in der gemeinsamen Wohnung wird dann angenommen, wenn das Zusammenwirken nicht in ehegemäßer Weise erfolgt, sondern nur in gelegentlichen Hilfeleistungen, die auch einem Untermieter geleistet werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. Juni 1978 – 4 WF 103/78).
2.1.3 Mögliche Unterbrechung des Trennungsjahres 🠕🠕🠕
Wenn Ehegatten das Trennungsjahr durchführen wollen, müssen sie auf einige Dinge achten. Es ist zu unterscheiden zwischen Handlungen, die die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen und solchen Hilfeleistungen, die üblicherweise auch für einen Untermieter erbracht werden (siehe oben). So lässt die Rückkehr in die eheliche Wohnung zu Besuch oder ähnlichem die häusliche Gemeinschaft nicht wiederaufleben. Das bedeutet, dass gelegentliche Hilfe für den anderen nicht unmittelbar die häusliche Gemeinschaft wiederherstellt und damit das Trennungsjahr unterbricht.
Sobald die eigentlich getrenntlebenden Ehegatten allerdings regelmäßig Haushaltsleistungen wie Kochen, Waschen oder Einkaufen füreinander erbringen, wird das Trennungsjahr unterbrochen. In diesem Fall müssen die Ehegatten das Trennungsjahr von vorn beginnen. Auch dürfen die Ehegatten keine intime Beziehung mehr führen und auch gegenseitig keine Versorgungsleistungen erbringen, nicht mehr finanziell gemeinsam haushalten und nicht mehr nach außen hin als Ehepartner in Erscheinung treten. Zu beachten ist, dass Unterhaltszahlungen nicht zu den Versorgungsleistungen zählen und einer Scheidung selbstverständlich nicht entgegenstehen.
3 Muss ich das Trennungsjahr nachweisen? 🠕🠕🠕
Der Ablauf des Trennungsjahres wird vom Familiengericht überprüft. Damit das Familiengericht zu dem Schluss kommt, dass das Trennungsjahr vollzogen wurde, bedarf es eines Nachweises. Dieser ist in der Regel erbracht, wenn beide Ehegatten das Trennungsjahr bezeugen. Gegebenenfalls können auch Freunde und Bekannte eine Aussage machen. Weiterhin erleichtert ein neuer Mietvertrag eines Ehegatten den Beweis.
3.1 Wie kann ich das Trennungsjahr beweisen? 🠕🠕🠕
Das Trennungsjahr können Sie beweisen, indem Sie zu Beginn des Trennungsjahres eine schriftliche Erklärung anfertigen, die von beiden Ehegatten unterschrieben wird. Diese können Sie am Computer oder handschriftlich anfertigen. Darin sollten Sie folgende Punkte hineinschreiben:
- Beide Ehegatten halten die Ehe für gescheitert.
- Ab sofort führen die Ehegatten getrennte Haushalte.
- Ihre Freizeit gestalten die Ehegatten getrennt voneinander
- Ein gegebenenfalls vorhandenes gemeinsames Bankkonto ersetzen die Ehegatten, indem jeder ein neues errichtet und seine beziehungsweise ihre finanziellen Angelegenheiten von nun an selbst und eigenständig regelt.
Mithilfe einer solchen schriftlichen Erklärung lässt sich das Trennungsjahr nachweisen, auch wenn der andere Ehegatte später vor Gericht den Ablauf des Trennungsjahres bestreiten sollte.
3.2 Nachweis des Trennungsjahrs bei einvernehmlicher Scheidung 🠕🠕🠕
Das Einverständnis beider Ehegatten über Start und Ablauf des Trennungsjahres ist zudem notwendige Voraussetzung für die Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung. Wer im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung die Trennung in demselben Haus vollziehen möchte, sollte in besonderem Maße auf die Einhaltung der Vorschriften zum Trennungsjahr achten.
3.3 Was ist, wenn sich ein Ehegatte gegen die Scheidung „sträubt“? 🠕🠕🠕
Wenn nur ein Ehegatte die Scheidung tatsächlich will und der andere seine Zustimmung verweigert, kann die Trennungszeit trotzdem lediglich ein Jahr betragen. Das liegt daran, dass die Ehe auch ohne die Zustimmung des Antragsgegners geschieden werden kann. Dazu muss das Gericht davon überzeugt sein, dass die Ehe gescheitert ist. Hierfür muss dann der scheidungswillige Ehegatte einen stichhaltigen Beweis vorlegen (siehe oben).
Wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben, wird das Scheitern unwiderlegbar vermutet. Das gilt auch dann, wenn der Antragsgegner seine Zustimmung verweigert.
4 Kann ich mich ohne Trennungsjahr scheiden lassen? 🠕🠕🠕
Ist eine Scheidung vor Ende des Trennungsjahres möglich? Oder kann man das Trennungsjahr verkürzen?
Grundsätzlich besteht für eine Scheidung die Pflicht der Ehegatten, das Trennungsjahr durchzuführen. Unter bestimmten, sehr strengen Voraussetzungen kann die Ehe ausnahmsweise vor oder ohne Ablauf des eigentlich notwendigen Trennungsjahres geschieden werden. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Härtefallscheidung.
4.1 Was ist eine Härtefallscheidung? 🠕🠕🠕
Eine Härtefallscheidung ist die Scheidung einer Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres. Diese kann nur aus äußerst gewichtigen Gründen vollzogen werden. Allerdings erlaubt es die Härtefallscheidung den Ehegatten, das Trennungsjahr ganz zu umgehen. In tatsächlicher Hinsicht kommt die Umgehung des Trennungsjahres einer Verkürzung gleich. Zwar kann der von einer unzumutbaren Härte betroffene Ehegatte direkt nach der Trennung den Scheidungsantrag stellen. Bis zu rechtskräftigen Scheidung vergeht jedoch in der Regel einige Zeit, während der die Ehegatten getrennt voneinander leben.
4.2 Wann gibt es eine Härtefallscheidung? 🠕🠕🠕
Das Trennungsjahr muss nur dann nicht eingehalten werden, wenn die Voraussetzungen einer unzumutbaren Härte vorliegen. Die unzumutbare Härte muss in der Person des anderen Ehegatten liegen. Das schließt aus, dass man eigene gravierende Verfehlungen als Grund anbringen kann. Die Gründe, aus denen eine unzumutbare Härte entstehen kann, müssen sich auf das fortbestehende Eheband, also das „Weiter-miteinander-verheiratet-Sein“ beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1980 – IVb ZR 538/80). An die unzumutbare Härte sind somit strenge Anforderungen geknüpft. Diese müssen im Einzelfall geprüft werden. Zur Veranschaulichung sollen nachstehend einige Beispiele dienen.
➔ 1. Eheliche Untreue 🠕🠕🠕
Das OLG München hat die unzumutbare Härte in einem Fall der ehelichen Untreue bereits drei Tage nach der Hochzeit verneint. Die eheliche Untreue ist nur durch Hinzutreten weiterer Umstände ein Grund der unzumutbaren Härte (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2010 – 33 WF 1104/10). Die eheliche Untreue reicht also allein als Grund der unzumutbaren Härte nicht aus (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 28. November 1991 – 14 WF 228/91).
Wenn die Ehefrau von einem anderen Mann schwanger wird, kann der Ehemann die Scheidung vorzeitig verlangen, um die gesetzliche Vaterschaft gemäß §§ 1592 Nummer 1, 1599 Absatz 2 BGB auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. April 2000 – 20 WF 32/00).
➔ 2. Grobes Verhalten, Gewalt, Straftaten 🠕🠕🠕
Im Falle einer ernstlich körperlichen Bedrohung eines Ehegatten kann ein Fall der unzumutbaren Härte gemäß § 1565 Absatz 2 BGB vorliegen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 16. April 2012 – 23 UF 1041/11). Auch Fälle der Misshandlung oder Körperverletzungen sind für den darunter leidenden Ehegatten unzumutbar. Das gilt nicht nur für seine oder ihre Person, sondern auch wenn sich die Gewalt gegen Kinder oder nahe Angehörige eines Ehegattens richten (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1980 – IVb ZR 538/80).
Auch andere Straftaten gegenüber dem Ehegatten können die besondere unzumutbare Härte rechtfertigen. Das Verschweigen einer bevorstehenden Haftstrafe kann die besondere Härte rechtfertigen. (vgl. AG Ludwigsburg, Urteil vom 20. Juli 2006 – 1 F 50/06).
➔ 3. Alkoholmissbrauch 🠕🠕🠕
Der Alkoholmissbrauch beziehungsweise die Abhängigkeit unter Verweigerung von Entziehungskuren kann ebenfalls die unzumutbare Härte rechtfertigen. Das Gleiche gilt für das mehrfache Scheitern von Entziehungskuren.
4.3 Spielt die Ehedauer eine Rolle? 🠕🠕🠕
Mit Blick auf Ehen, die die Ehegatten bereits nach wenigen Wochen scheiden lassen möchten, stellt sich die Frage, ob die bisherige Ehedauer für das Trennungsjahr eine Rolle spielt. Schließlich würde das Trennungsjahr die bisherige Ehedauer um ein Vielfaches übersteigen. Hierfür gibt es jedoch keine Sonderregelung. Für das Trennungsjahr ist die bisherige Ehedauer daher unerheblich. Auch sehr kurze, wenige Wochen alte Ehen werden grundsätzlich nur nach Ablauf eines Trennungsjahres geschieden.
5 Trennung ohne Scheidung: Lieber doch verheiratet bleiben? 🠕🠕🠕
Immer wieder tauchen Fälle auf, in denen sich Ehegatten darauf verständigen, im Zuge der Trennung auf die Scheidung zu verzichten. Sie trennen sich zwar räumlich und meistens auch emotional voneinander, formal bleiben sie dennoch verheiratet. Der Gedanke dahinter ist, dass Ehegatten die Scheidungskosten vermeiden. Aber ist das sinnvoll?
5.1 Miteinander verheiratet bleiben: Möglich, aber gefährlich 🠕🠕🠕
Ein Getrenntleben ohne Scheidung ist an sich möglich. Allerdings kann das unter Umständen teurer sein, als sich scheiden zu lassen. Insgesamt lässt sich sagen, dass bei der Trennung ohne Scheidung aus wirtschaftlicher Sicht einige Dinge zu beachten und abzuwägen sind. Häufig kommen Ehegatten zu dem Ergebnis, dass die Kosten einer Scheidung niedriger sind. Es gibt einige finanzielle Fallen, die ein dauerhaftes eheliches Getrenntleben verteuern können.
➔ 1. Steuerklasse und Ehegattenveranlagung 🠕🠕🠕
Während des Trennungsjahres behalten Ehegatten ihre Steuerklasse. Die Steuerklasse ändert sich zum 1. Januar des auf die Trennung folgenden Jahres. Der Wechsel muss spätestens bis Ende November des Jahres, in dem die Trennung erfolgte, dem Finanzamt mitgeteilt werden.
Während des Trennungsjahres können Ehegatten zwischen Ehegattenveranlagung und Einzelveranlagung wählen. Sie können im Trennungsjahr letztmalig eine gemeinsame Steuererklärung abgeben. Nach Ablauf des Trennungsjahres fällt dieses Wahlrecht weg. Auch wenn noch nicht geschieden, muss dann jeder Ehegatte eine eigene Steuererklärung abgeben.
➔ 2. Erbe 🠕🠕🠕
Getrennt lebende Ehegatten ändern zwar oftmals ihre Testamente. Die gesetzlichen Erbansprüche bleiben gemäß § 1933 BGB jedoch bestehen. Die gesetzlichen Erbansprüche werden erst ausgeschlossen, wenn die Scheidungsvoraussetzungen gegeben sind. Dafür ist erforderlich, dass der Erblasser die Scheidung beantragt hat und der Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten mit postalischer Zustellung zugegangen ist.
➔ 3. Zugewinn und Eigentumserwerb 🠕🠕🠕
Erhebliche Nachteile entstehen außerdem beim Zugewinnausgleich. Der Zeitpunkt für die Berechnung ist immer der Tag, an dem der Scheidungsantrag zugeht. Ein vorzeitiger Zugewinnausgleich kann nur in Ausnahmefällen nach § 1385 BGB beantragt werden. Das heißt: Wenn sich ein Ehepaar nach der Trennung nicht scheiden lässt, werden grundsätzlich auch alle Einkünfte, Anschaffungen und auch der Erwerb von Eigentum nach dem Trennungszeitpunkt noch für den Zugewinnausgleich berücksichtigt.
➔ 4. Versorgungsausgleich 🠕🠕🠕
Für den Versorgungsausgleich gilt das Gleiche. Auch hier ist der Zeitpunkt für die Berechnung immer der Tag, an dem der Scheidungsantrag zugeht. Der Trennungszeitpunkt ist hierfür nicht relevant.
➔ 4. Trennungsunterhalt 🠕🠕🠕
Der besserverdienende Ehegatte ist dem anderen Ehegatten grundsätzlich zur Zahlung des sogenannten Trennungsunterhalts verpflichtet. Daran ändert auch eine sehr lange Trennungszeit nichts. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Verzicht auf Trennungsunterhalt nicht möglich ist. Dies hat der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 –XII ZB 303/13). Daraus folgt, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt für den finanziell schwächeren Ehegatten bis zum Zeitpunkt der Scheidung bestehen bleibt.
6. Trotz Trennungsjahr Scheidung nicht möglich? 🠕🠕🠕
Kann eine Ehe – trotz Ablauf des Trennungsjahres – dennoch nicht geschieden werden? Zu beachten ist bei Beantwortung dieser Frage die Härteklausel des § 1568 BGB. Danach wird eine gescheiterte Ehe auch dann nicht geschieden, wenn
- die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der gemeinsamen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist (Kinderschutzklausel) oder wenn
- die Scheidung für den Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, aufgrund besonderer Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe unter Berücksichtigung des anderen Ehegatten ausnahmsweise geboten ist (Ehegattenschutzklausel).
6.1 Die Kinderschutzklausel 🠕🠕🠕
Die Kinderschutzklausel ist eine absolute Ausnahme und muss eng ausgelegt werden. Das Wohl des Kindes muss mit mehr als den üblichen Schmerzen durch die Trennung der Eltern belastet sein. Die Situation des Kindeswohls muss sich drastisch verschlimmern.
6.2 Die Ehegattenschutzklausel 🠕🠕🠕
Die Ehegattenschutzklausel bezieht sich auf den Ehegatten und ist ebenfalls eine streng auszulegende Ausnahme. Für einen Ehegatten muss die Scheidung unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten aufgrund besonderer Umstände unzumutbar sein.
Ehegattenschutzklausel einschlägig 🠕🠕🠕
Fälle, in denen die Ehegattenschutzklausel angewandt wurde, waren in der Vergangenheit zum Beispiel:
- Verschlimmerung der Depression des Ehegatten, wenn diese derzeit nicht in zumutbarer Weise durch Psychotherapie zu behandeln ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19. September 1991 – 16 UF 181/91).
- Konkrete Suizidgefahr des Ehegatten, bis die ausreichende medizinische Betreuung gesichert ist. (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 21. Dezember 2005 – 15 UF 85/05)
- Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen und schwere psychische Erkrankungen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. Januar 1989 – 1 UF 199/88).
- Aufopferungsvolle Leistungen, die der Ehegatte im Interesse der Ehe erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1979 – IV ZR 30/79).
Ehegattenschutzklausel nicht einschlägig 🠕🠕🠕
Hingegen wurden unter anderem folgende Fälle nicht unter die Ehegattenschutzklausel gefasst:
- Das Ablehnen der Scheidung aus religiösen Gründen.
- Das Ablehnen der Scheidung, da der Ehegatte als Ausländer mit der Ausweisung nach der Scheidung rechnen muss (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. November 1989 – 2 UF 260/88).
- Verschlechterung des Krankenversicherungsschutzes (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1981 – IVb ZR 539/80).
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