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Kann ChatGPT einen Anwalt ersetzen?

ChatGPT im Familienrecht, wird der Anwaltsberuf irgendwann von einer künstlichen Intelligenz ersetzt werden können?

Seit kurzer Zeit erlangt die künstliche Intelligenz „ChatGPT“ immer mehr Aufmerksamkeit in den Medien. Es wird als eine Revolution in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz angesehen, fasziniert und beunruhigt dadurch gleichzeitig. Doch was ist diese neue künstliche Intelligenz genau und kann ChatGPT den Gang zu einem Rechtsanwalt in einem Scheidungsverfahren gänzlich ersetzen?

Was ist „ChatGPT“?

ChatGPT ist ein Chat System, das auf einer künstlichen Intelligenz aufbaut. Anders als bisher bekannte künstliche Intelligenzen, zum Beispiel im Kundenservice, welche über die Eingabe von Suchbegriffen die passenden Websites raussucht, kann ChatGPT auf ganze Fragen antworten. ChatGPT kann fast menschlich klingende Antworten zu Fragen geben, welche die künstliche Intelligenz durch eine deep-learning Technologie formulieren kann. Das Programm ChatGPT ist aktuell nur auf Englisch verfasst, es kann aber trotzdem perfekt in der deutschen Sprache Fragen beantworten. Es gibt bereits viele Beispiele wie ChatGPT Gedichte, Hausaufgaben und mathematische Formeln schreiben kann.

 

Kann ChatGPT bei einem Scheidungsverfahren die Notwendigkeit eines Anwalts ersetzen?

Auch wenn es bemerkenswert ist, wie die künstliche Intelligenz ganze Texte alleine durch Informationen aus den Netz formulieren kann, ob sie ganze juristische Fälle lösen oder gar einen Rechtsanwalt ersetzten kann erscheint dennoch fraglich.

Anwaltszwang

Ein Grund, weshalb ein Anwalt in einem Scheidungsverfahren unerlässlich ist, ist der bestehende Anwaltszwang in solchen Verfahren in Deutschland. In einem Scheidungsverfahren muss der Scheidungsantrag nach § 114 I FamFG von einem Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht werden:
„(1) Vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen und die Beteiligten in selbständigen Familienstreitsachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.“
Eine anwaltliche Vertretung, bei einer einvernehmlichen Scheidung also zumindest durch einen statt zwei Anwälte, ist daher unerlässlich. Durch die Expertise der Rechtsanwälte soll der Schutz der Prozessparteien und ein möglichst reibungsloser, schneller Prozess ermöglicht werden.
Allein durch dieses praktische Erfordernis ist ein Rechtsanwalt also für eine erfolgreiche Scheidung erforderlich.

Persönliche Beratung

Eine Konsultation eines Rechtsanwaltes ist auch im Hinblick auf die Individualität eines Scheidungsverfahrens zu präferieren.
Antworten auf juristische Fragen durch ChatGPT werden sehr vage gehalten. Die künstliche Intelligenz kann einfache Rechtsfragen, welche heute auch durch Laien im Internet gefunden werden können, gut beantworten. Bei dem Beruf des Rechtsanwalts kommt es aber gerade auf den jeweiligen Sachverhalt an. Jeder Mandant und jeder Fall unterscheidet sich spätestens in den Detailfragen. Gerade da ist eine präzise und saubere Arbeit durch einen Anwalt erforderlich, welcher den Sachverhalt unter die bestehende Rechtslage subsumieren kann, um ein unsauberes Ergebnis zu vermeiden. Speziell in einem online Scheidungsverfahren müssen viele Sachfragen vor dem Verfahren vor Gericht unter den Parteien geklärt werden um die Vorzüge eines Online-Verfahrens auch nutzen zu können.
Fragen wie die des Versorgungsausgleichs zwischen den Ehegatten, die des Ehegattenunterhalts oder über die Einigungen bezüglich möglicherweise bestehende Ehewohnungen oder anderer Eigentümer können Sie mit ihrem Rechtsanwalt in der nötigen Tiefe besprechen. Auch unterstützt Sie Ihr Rechtsanwalt nicht nur in den juristischen Fragestellungen, sondern auch in Verfahrensfragen. Ihr Anwalt kann Ihnen Hinweise auf Verfahrensdetails geben und Sie auf Verfahrenstermine hinweisen.
Erfolgt die Beurteilung eines Sachverhaltes aber eben nicht individuell, sondern durch eine künstliche Intelligenz, können Detailfragen nicht beachtet werden und dadurch das Ergebnis oder der Anspruch verfälscht werden. Auch Menschen machen Fehler, da ChatGPT aber seine Antworten aus den Netz erhält, ist es schwer diese Fehler zu korrigieren und es besteht die Gefahr, das sich unsaubere juristische Ergebnisse der künstlichen Intelligenz im Netz verfestigen können.

Intimität eines Scheidungsverfahrens

Nicht zu unterschätzen ist auch der emotionale Aufwand eines Scheidungsverfahren. Sowohl für die involvierte Partei kann es kräftezerrend sein, als auch für Dritte wie Kinder der Ehegatten. Es müssen teils sehr intime Informationen besprochen werden. Umso relevanter ist hier eine kompetente Beratung die Sie jederzeit bei Fragen konsultieren können.

Aktualität der Rechtslage

Zuletzt darf auch nicht vergessen werden, dass das aktuelle Modell von ChatGPT nur mit Informationen aus dem Netzt gespeist ist, die bis 2021 erstellt wurden. Je nach Rechtsgebiet kann sich aber in kurzer Zeit sehr viel juristisch verändern, sei es durch relevante Urteile, durch Entscheidungen der Legislative oder durch neue EU-Richtlinien. Eine gegebenenfalls flexible Anpassung an eine neue Rechtslage kann nur ein spezialisierter Rechtsanwalt gewährleisten.

Können Scheidungsanwälte von ChatGPT profitieren?

Es kann sich aber immer noch die Frage gestellt werden, inwieweit ChatGPT die anwaltliche Tätigkeit unterstützen könnte. Die künstliche Intelligenz könnte Rechtsanwälte in einzelnen Sachfragen aushelfen. Es darf jedoch nicht unterschätz werden, dass ChatGPT lediglich frei zugängliche Einträge aus dem Internet einbezieht und dies ohne Angaben zu Quellen. Dadurch kann nicht überprüft werden, ob es sich hierbei um seriöse Quellen handelt. Darauf aufbauend stellen sich auch weiter, bis lang ungeklärte, Fragen zu Haftungsansprüchen und zu Urheberrechtlichen Aspekten für Texte, welche von der künstlichen Intelligenz generiert wurden.
Chat CPT könnte also in Zukunft die Arbeit in Kanzleien bezüglich oberflächlicher Fragen unterstützen. Auf Grund der Problematik der Quellenverweise ist jedoch kein Verlass auf die Richtigkeit vorhanden und es könnten sich urheberrechtliche Schwierigkeiten ergeben.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass ChatGPT als neue künstliche Intelligenz viel Potential bereit hält, aber auch diese schon sehr weit ausgearbeitete Intelligenz ihre Schwächen hat. Die Antworten auf juristische Fragen sind häufig zu vage und ermöglichen keinen Zuschnitt auf den individuellen Sachverhalt der einzelnen Parteien. Auch ist das aktuelle Modell von ChatGPT auf einem veralteten Stand und antwortet ohne Angaben von Quellen.
Die Arbeit eines Rechtsanwaltes, vor allem in Scheidungsverfahren, bleibt daher weiterhin unerlässlich.


Quellen:
• FAZ Beitrag, zuletzt geöffnet am 07.02: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/chatgpt-und-ki-die-maechtigen-neuen-assistenzsysteme-18587321.html
• Johannisbauer, Christoph, MMR Aktuell 2023, 455537, ChatGPT im Rechtsbereich – erste Erfahrungen und rechtliche Herausforderungen bei der Verwendung künstlich generierter Texte
• Musielak/ Voit, ZPO, 19.Auflage, 2022, § 78 Rn.1,2 (Weth)
• Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Auflage 2022, § 114 (Schwamb)
• Tagesschau Beitrag, zuletzt geöffnet am 07.02 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/chatgpt-wachstum-bezahlangebot-abo-101.html
• Hoeren, Thomas, MMR 2023, 81 „Geistiges Eigentum“ ist tot - lang lebe ChatGPT