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Auswirkung: Volljährigkeit Kindes auf das vereinfachte Unterhaltsverfahren

Wie wirkt sich der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes auf das vereinfachte Unterhaltsverfahren aus?

Urteil des OLG Stuttgart 28.02.2022 (FamRZ 2023, 301-302)

Das vereinfachte Unterhaltsverfahren:

Lebt ein Kind getrennter Eltern bei nur einem Elternteil, hat es möglicherweise einen Anspruch auf Unterhaltszahlung gegenüber dem anderen Elternteil, mit dem es nicht zusammenwohnt. Das Kind, beziehungsweise das Elternteil, mit dem es zusammenwohnt, kann diesen Anspruch im Wege eines vereinfachten Unterhaltsverfahren geltend machen. Dies wird in §§ 249 ff. FamFG geregelt:


§ 249 Abs.1 FamFG: Auf Antrag wird der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, im vereinfachten Verfahren festgesetzt, soweit der Unterhalt vor Berücksichtigung der Leistungen nach § 1612b oder § 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs das 1,2fache des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übersteigt.


Der Zweck dieses Verfahrens besteht darin, das Existenzminimum des Kindes zu sichern. Das Kind muss dafür minderjährig sein und es darf kein Ausnahmegrund nach § 249 Abs.2 FamFG bestehen, wie zum Beispiel ein bereits bestehender Unterhaltsanspruch oder ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren. Andernfalls ist das einfache Verfahren nicht statthaft. Ob die Eltern des Kindes hingegen verheiratet sind oder nicht ist irrelevant.
Das Unterhaltsverfahren wird als „einfach“ bezeichnet, da es in der Regel eine einfache und schnelle Festsetzung des Unterhaltsanspruches ermöglicht. Es soll durch diese Möglichkeit ein sonst mehrstufiges gerichtliches Verfahren vermieden werden und ein beschleunigter Prozess möglich sein.
Um zu klären, ob ein vereinfachtes Verfahren in Ihrem Fall statthaft ist, kontaktieren Sie mich gerne schriftlich per E-Mail oder telefonisch für ein Beratungsgespräch.

Festsetzungsbeschluss: Höhe der Unterhaltszahlung

Das Gericht setzt auf Antrag des Kindes oder des Elternteils, mit dem es zusammenwohnt, den Unterhalt in einem Beschluss fest, einem sogenannten Festsetzungsbeschluss. Wird der Unterhalt daraufhin von dem anderen Elternteil, also dem Antragsgegner, nicht oder nicht pünktlich gezahlt, kann auch eine Zwangsvollstreckung folgen.
Die Höhe der Festsetzung des Unterhalts richtet sich dabei nach der Höhe des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes. Umfasst von dem Unterhalt sollten aber der gesamte Lebensbedarf des Kindes sowie (Vor-,) Bildung für einen späteren Beruf sein. Dabei steigt der Mindestunterhalt mit dem steigenden Alter des Kindes gestaffelt in drei Abschnitten. Dadurch sollen die sich erhöhenden Kosten durch den sich verändernden Lebensbedarf eines heranwachsenden Kindes berücksichtigt werden.

§ 1612a BGB:
Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des minderjährigen Kindes. Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes
1. für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 87 Prozent,
2. für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 100 Prozent und
3. für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 117 Prozent

Der Antragsgegner kann gegen den Antrag des Kindes auf Unterhaltszahlung Einwände bei Gericht durch eine Beschwerde einreichen, soweit der Festsetzungsbeschluss noch nicht erlassen wurde. Dafür müssen die gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 252 ff. FamFG vorliegen.

Volljährig werdende Kinder

Wie bereits erwähnt spricht § 249 I FamFG bei der Statthaftigkeit dieses einfachen Unterhaltsverfahrens ausdrücklich von dem „Unterhalt eines minderjährigen Kindes“. Kinder, die ihr 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, können ihre Unterhaltsansprüche also nicht im Wege des vereinfachten Verfahrens geltend machen.
Was ist aber, wenn das Kind während des laufenden Verfahrens volljährig wird? Ist das vereinfachte Verfahren dann noch zulässig, da das Kind bei Beantragung des vereinfachten Verfahrens noch minderjährig war? Oder scheitert das Verfahren durch den Eintritt des 18. Geburtstages? § 249 I FamFG gibt darüber leider keine Auskunft.
Diese Frage hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart gestellt und mit Beschluss vom 28.02.2022 beantwortet.
In diesem Verfahren hatte zunächst das Amtsgericht Oberndorf in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Unterhalts verpflichtet. Der Antragsgegner hatte dagegen Beschwerde eingereicht. Begründet hatte er die Beschwerde damit, dass er den festgesetzten Unterhalt nicht zahlen könne. Hilfsweise hatte der Antragsgegner auch angeführt, dass die Unterhaltspflicht befristet sei durch den 18. Geburtstages des beantragenden Kindes.
Die angebliche Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners sah das Gericht nicht und wies diese Begründung ab. Anders sah das Gericht aber die Beschwerde hinsichtlich der werdenden Volljährigkeit.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass ein vereinfachtes Unterhaltsverfahren nicht automatisch unzulässig wird, wenn das beantragende Kind im Laufe des Verfahrens volljährig wird. Das OLG Stuttgart begründetet diese Entscheidung mit dem Wortlaut des § 249 I FamFG. Dieser setze lediglich fest, dass die Unterhaltsforderungen sich auf ein minderjähriges Kind beziehen. Von einem Erfordernis der Minderjährigkeit des Kindes bei Antragsstellung vor Gericht ist aber nicht die Rede.
Durch den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt auf jeden Fall die so genannte Prozessstandhaft der Eltern des Kindes. Das Kind muss sich demnach selbst vor Gericht vertreten.
In vorherigen Rechtsprechungen war das einfache Verfahren nur dann statthaft, wenn die Unterhaltsforderungen sich auch auf eine Zeit bezogen, in der das Kind noch nicht volljährig war. Bestand dies nicht, war das einfache Verfahren insgesamt als unzulässig eingestuft worden.
Im vorliegenden Fall machte das Kind aber auch Unterhaltsforderungen vor Vollendung des 18. Lebensjahres, also rückwirkenden Unterhalt, geltend. Das OLG Stuttgart wollte diese Regel aber sogar weiter einschränken. Der Senat hielt fest, dass die Beschwerde des Antragsgegners begründet war hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des Kindes nach dem Eintritt der Volljährigkeit. Nach dem Eintritt des 18. Lebensjahres hatte der Antragssteller keine Unterhaltsansprüche mehr gegen den Antragsgegner.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Unterhaltsansprüche des Kindes beschränkt sind auf die Zeit bis hin zu dessen Volljährigkeit. Auf das Alter des Kindes während des Prozesses kommt es aber nicht an, soweit es bei Antragsstellung des vereinfachten Verfahrens noch minderjährig war. Das OLG Stuttgart hat also insgesamt die Beschwerde des Antragsgegners abgewiesen, es hat aber ausdrücklich die Zeit der Unterhaltspflicht beschränkt.